Inspiriert durch Dirk D. der in seinem Posting das Wort "Niveau" gewagterweise im gleichen Satz wie Rollenspiel schrieb sowie durch betrachten der Fotos des angeblich ersten Larps im Bundesgebiet(im Deutschen, kelvyr! ;) )nun dieses brisante aber meines Erachtens auch völlig neue und interessante Thema.
Kann man im Larp Niveau Fordern?
Über alle möglichen Themen wurden erbitterte Forumsschlachten geschlagen, seien es der uralte Kampf von DKWDDK gegen Punktesysteme, Krieger gegen Magier, Zeltlarp gegen Burglarp, Infight gegen Abstandskampf, High gegen Low, gesunder Menschenverstand gegen Katzenmenschen und viele andere schöne Dinge. Ab und zu tauchten aber Äußerungen auf die mittlerweile eine neue Frage ergeben, nämlich die obige.
In diesem Hobby, in dem man zunächst jeden Spinner gewähren liess läuft vieles auf die Frage nach dem Niveau hinaus.
Es gibt Larp schon seit einer ganzen Weile (Gerüchten zufolge wurde 1992 das erste wirkliche Fantasy-Larp veranstaltet) aber merkwürdigerweise haben sich die Rüstungen und Waffen als einzige zum besseren Weiterentwickelt(das wird auch der hartnäckigste Alukürass und Tapepompfen-Nostalgiker einsehen).
Die (Punkte-)Regelwerke sind immer noch ähnlich Primitiv, die Kostüme größtenteils auch. Rollenspiel gibts anscheinend auch nicht mehr als vorher(und ich urteile jetzt mal beispielhaft über die Zeitspanne, die ich dabei bin, seit 1997 immerhin 6 jahre) und das berüchtigte Powergaming treibt nach wie vor hemmungslos sein Unwesen.
Da stellt sich natürlich die Frage nach dem Warum. Bei den Waffen und Rüstungen ist der Fortschritt schnell erklärt, denn dieser geht hier nach rein technischen Gesichtspunkten, die niemand leugnen kann und die keiner Diskussion bedürfen.
Aber warum sterben die Lederhosen-Piratenhemd-schwarzer Kapuzenumhang Kostüme(Unwort "Gewandung" verrecke!) einfach nicht aus?
Und warum ist Rollenspiel imernoch die nahezu gleiche nummer wie 1988 bei einer Runde D&D (da gabs mich noch gar nicht)?
Warum kann man keinen Standard setzen, wie es z.B. manche Reenactergruppen tun?
Ich werde nun mal der Sache mit meiner Meinung auf den Grund gehen.
Zunächst einmal würde ich sagen liegt es an dem Spukgespenst "Freundlichkeit". Niemand geht zu jemandem hin und sagt offen und ehrlich, "Ey, also dein Kostüm sieht völlig unstylish und bescheuert aus, hold dir mal was Vernünftiges!"(sinngemäß)
Nicht nur, weil er ein höflicher Mensch ist, sondern auch, weil er auf die Antwort "Ist doch Fantasy!" keine richtige Gegenantwort wußte. Ich sage allerdings, daß man nun den "Ist doch Fantasy!"-Typen einfach sagen kann, "Das ist kein Fantasy, das ist eine Bikerhose mit Piratenhemd." Woher nehmen diese Leute die Idee, daß ein solch "Unmittelalterliches" Kostüm Fantasymässig sein soll? Man muß schon blind sein, um nicht zu erkennen, daß pseudomittelalterliche (oder antike, für Jörg Weber) Verkleidung einfach viel "Fantasymässiger" aussieht als der Mist, der standardmäßig auf Larps getragen wird. Noch nichtmal in den schlimmsten amerikanischen Fantasyserien Laufen die Leute derart bekloppt rum.
Dann kommt als nächstes die Kostenlüge: "Ja woher soll man denn so ein Pseudohistorisches Kostüm nehmen? Das kostet ja Unmengen! Die armen Anfänger!" Einfache Antwort, mittlerweile gibt es so viele Geschäfte die vernünftie Verkleidungen verkaufen und das zu absoluten Billigpreisen, daß diekostenlüge einfach nicht mehr wirkt. Den armen Anfängern kann ich nur raten entweder wie jeder vernünftig denkende Mensch, der etwas kaufen will, aber zu wenig Geld hat das geheimnissvolle Wunderrezept des SPARENS(!!!) anzuwenden oder aber den Larps fernzubleiben(ja Carsten Thurau, du hast richtig gelesen). Und denen die "arme Anfänger" aufs Larp bekommen wollen würde ich einfach mal raten ihre ersatzkostüme mal für ein larp abzutreten um den Anfängern einen kostengünstigen Eindruck ins Larp zu verschaffen.
Drittens: Diese unsägliche Angewohnheit der Fantasy-Nerds(so nenne ich sie mal) im Alltag mit einer Schnürlederhose und einem schwarzen Rüschenhemd, dazu abgefuckter schwarzer Ledermantel (Frauen tragen die Äquivalenten dazu) rumzulaufen finde ich ja peinlich genug, aber ok Geschmackssache. Wenn sie aber meinen, das sei auch eine akzeptable "Fantasygewandung", dann muss ich vehement protestieren. Wegen dieser barbarischen Unsitte hassen unter anderem die Reenacter die Larper(allerdings kaum so sehr wie sich gegenseitig ;) ). Diese armen Teufel(die Reenacter) haben sich blutigdiskutiert, was wann wie getragen wurde. Sie haben es erforscht, nachgebaut probiert und hergestellt, und die Larper sind schlicht zu dämlich die reifen Früchte dieses Baums zu Pflücken, in dessen Zweigen das Blut unzähliger, in Diskussionen gefallener, Reenacter fließt. Sie sind für euch draufgegangen und ihr lacht über sie!
Dann kommen noch jene dazu, bei denen man nicht weiß, ob sie Täter oder Mitläufer sind. Die Larp-Händler. Ist es jetzt Nachfrage die den Larpmarkt regiert, oder ökonomisch absurder Weise das Angebot? Wenn ich einen Larpladen betrete und eine/-n Schneider/-in sehe, von Kopf bis Fuß in der schwarzen Fantasy-Nerd-Tracht sitztend und eben diese für das Verkaufsregal herstellend, dann erhärtet sich der Verdacht, daß das kein Zufall und schon gar keine Nachfrage sein kann. Der (lokale)Mangel läßt die Leute alles kaufen.
Um zur Frage zurückzukehren, ob Larp Niveau braucht. Ja Larp braucht Niveau und es ist berechtigt dieses zu fordern. Pseudomittelalterliche oder aufwendige und gut durchdachte Fantasykleidung sieht einfach besser aus und fördert die Rollenspielathmosphäre.
Nun zum berüchtigten "Rollenspiel".
Dirk D. schrieb:Ich empfand Hofhaltungen immer als die letzte Bastion des Niveaus im Larp
Dieser satz erinnert mich an einige Interessante Mißstände.
Ich muß hier etwas widerwillig diese Position unterstützen. Ich war zwar noch nie auf einer Pseudobarocken "Hofhaltung", allerdings spiele ich seit diesem Frühjahr hin und wieder bei einer Vampire-Larpchronik(heutige Zeit) mit, was im Endeffekt das gleiche ist wie eine "Hofhaltung" zu besuchen.
Ich mußte erstaunt einsehen, daß auf den eher gesellschaftsbasierten Spielen ein Rollenspielniveau herrscht, das um ein vielfaches höher ist, als das auf dem herkömmlichen Wald-Wiesen-Larp. (und das obwohl im Vampire Larp Powergaming untrennbar zum Spiel gehört)
Das kommt meines Erachtens dadurch, daß gutes Rollenspiel tatsächliche IT-Auswirkungen hat. (wenn sich einer aufführt wie ein Trottel, schadet das ihm das tatsächlich IT) Wer sich "stylish" benimmt(also Rollenspielt) errreicht einen Erfolg im Spiel. Ferner ist die Charakterauswahl auf solche Charaktere begrenzt, die tatsächlich viel Rollenspiel erfordern, um erkennbar zu sein. (Adliger, Vampir o.ä.)
Weiterhin wird das Rollenspiel durch Vorgaben aus dem Regelwerk(Verhaltensregeln, Etikette) tatsächlich gefördert, diese legen eine andere Weltsicht der Charaktere zugrunde, was ja Voraussetzung dafür ist, nicht sich selbst zu spielen.
Das ist etwas ganz anderes, als viele Quasi-Hintergrundslose Wald/Wiese-Charaktere, die sich lediglich durch Piratenhemd, Lederhose einen Eineinhalbhänder und den bloßen Namen ihres Landes definieren. Viele Larper handeln IT einfach "unstylish", weil sie sich Charakterhintergründe gegeben haben, die keine große Verstellung erfordern.
Ein Charakter, der viel Rollenspiel bieten soll muß ein vollkommen fremdes Weltbild, Redeweise und Moral haben. Das aber ist meines Erachtens bei 70% der Larp-Charaktere nicht gegeben.
Erstmal respekriert keine Sau den Charakter-Status des anderen, weil jeder ein doller Hecht sein will. Das nimmt der Larpwelt erstmal einen Flair von IT. Jeder faselt von Rollenspiel, aber sobald ein Charakter kommt, der vielleicht Gesellschaftlich oder Fachwissenstechnisch über dem eigenen stehen könnte(ich setze mal gute Darstellung voraus), dann wird der Sturer-Bock Modus aktiviert und um sein Leben gepöbelt um dem "Eingebildeten" ja zu zeigen, daß er hier nix zu sagen habe und man es ja doch besser wisse.
Durch Regelwerke bedingt KANN zwar nicht jeder alles, aber immerhin WEIß jeder alles. "Schafsfellbarbaren" erklären Dämonologie, Magier erklären Schwertkampf, Priester erklären sachlich andere Religionen, und Waldläufer erklären eh alles. Man geht grundsätzlich nicht auf die Rolle des anderen ein, wo soll da Rollenspielathmosphäre herkommen?
Dann reden die meisten wie wir halt so im OT reden. Ok, yo, klar, natürlich und andere beliebte Ausdrücke der Alltagskonversation schlagen das vom Rollenspiel nieder, was sich nach der obigen Attacke zitternd aufzurappeln versucht. Um Dramatik und Theatralik schert sich anscheinend keine Sau, der Paladin leitet die Schlacht mit einem kühlen "Ok, jetzt gehts los!" ein, worauf aus der Menge ein begeisterstes "Geil, na endlich!" ertönt. Es wird sich noch nichteinmal die Mühe gemacht zu VERSUCHEN anders zu reden, als man es üblicherweise macht. Die meisten reden in einem hohen aufgeregtem Alltagsdeutsch, wo soll da Rollenspielathmosphäre herkommen?
Es heißt endlich von gesellschaftsorientierten Rollenspielen auch fürs Wiesen-Larp zu lernen. Schluss mit den Ein-Mann-Ländern, Schluss mit der Freiheit seinen Charakter so dämlich OT wie möglich zu gestalten. Die Larpgruppen müssen endlich anfangen statt dem Schwertgefuchtel das Rollenspiel zu üben, Neulingen darf nicht mehr ein Schwert in die Hand gedrückt werden mit dem Satz, "Das mit dem Rollenspiel kriegst du schon irgendwie raus". Vernünftige Darstellung der Rolle muß über dem "um jeden Preis ein paar Leute mehr dazu" stehen.
Das alles mag ja eine schön und gute Meinung sein, denkt sich der geneigte Leser, aber warum genau soll denn jetzt ein Niveau gehoben werden, geht doch auch so!
Nein so geht es nicht, der Irrtum der übermäßigen Toleranz und Aufgeschlossenheit hält das Larp vor der Weiterentwicklung zurück.
Ich sage das Niveau muß gehoben werden. Larp nicht mehr für jedermann, sondern für die die es ernst meinen.
Her mit Kostümauflagen.
Her mit dem Larp-Casting per Charakterbogen mit Bild.
Her mit der Rollenspiel-Polizei.
Her mit dem "Fantasy-Reenactment", dem Nachspielen von Fantasy wie sie sein sollte.
Keiner wird leugnen, daß die Pseudohistorischen Larper und diejenigen Fantasylarper, diesich für ihre Kostüme ernsthaft Mühe geben ein deutlich besseres Bild machen, als die abgefuckte Schwarztracht-Bande.
Und für alle, die mir jetzt rigorose Rauswerfgelüste vorwerfen. Ich will niemanden rauswerfen, ich will Anreize schaffen das Athmosphäreniveau auf den Larps zu heben damit das Spielerlebniss für alle unterhaltsamer wird. Der Einzelne ist zu faul oder zu unwissend, diese Sache muß man gemeinsam anpacken, manchmal muß man den Leuten halt das Denken abnehmen und Regeln schaffen. Ohne aber dabei in Vereins- oder Verbandskriege zu geraten.
T.S.
______________________________________________________________
Alle umlegen, soll die SL sie aussortieren!